Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) by Young Moira

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) by Young Moira

Autor:Young, Moira [Young, Moira]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104020365
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2014-02-13T23:00:00+00:00


Die Wälder mit den kranken roten Bäumen lassen wir hinter uns. Wir durchqueren seichte breite Flüsse, in denen das braune Wasser nur träge fließt. Ziehen südlich um einen riesigen sterbenden See rum. Sein beißender Gestank quält unsere Nasen. Lässt unsere Augen tränen und unsere Haare zu Berg stehen. Der klebrige weiße Strand wimmelt von winzigen Fliegen, die in Wolken auffliegen, wenn wir vorbeikommen. Überall am Ufer liegen die Eisenskelette von Abwrackergebäuden rum.

Auf Tonton treffen wir nicht, weder auf Streife noch sonst wie. Am oberen Ende vom See liegt eine kleine Festung, erzählt Slim mir, etwa fünfundvierzig Meilen nördlich. Warum die hier ist, weiß keiner. Vielleicht haben sie ein Abwracker-Bergwerk gefunden, in dem noch was zu holen ist. Slim weiß nur, dass sie so weit südlich nicht Streife reiten. Er sagt, vor morgen müssten wir uns eigentlich keine Sorgen wegen Tonton-Streifen und Wachposten machen. »Aber ich sorg dafür, dass wir ihnen nicht in die Quere kommen«, sagt er. »Ich kenn all die Nebenwege, und ich kenn die Gewohnheiten der Männer in Schwarz.«

Ich wär lieber wieder im Ödland als hier. Erst als das Tageslicht schwächer wird, kommt ein Ende in Sicht. Und dann, süß und gnädig, der Anblick, der Geruch von lebenden Bäumen – Wacholder, Kiefern und Tannen – und das Geräusch von sauberem, fließendem Wasser. Was für eine Erleichterung. Wie eine kühle Hand auf einer fieberheißen Stirn. Slim bremst den Wagen ab. Fährt vom Pfad runter auf eine kleine Lichtung.

»Was tust du da?«, frag ich. »Fahr weiter.«

»Wir müssen eine Pause machen«, sagt Slim. »Hier sind wir sicher. Moses muss sich ausruhen. Euer Pferd auch.«

Ich drück ihm den Bolzenschießer an die Schläfe. »Ich hab gesagt, fahr weiter.«

Slim hebt die Hände. »Hey, hey! Beruhig dich, Schwester. Ich hab gesagt, ich bring euch zeitig zum Lost Cause, und das werd ich auch. Ich möchte mein Auge nämlich gern behalten.«

»Der Mann hat recht«, sagt Lugh. »Das weißt du auch. Wir müssen ausruhen.«

Ich bin ganz benommen vor Müdigkeit. »Wir müssen weiter«, sag ich.

»Sei nicht bescheuert«, sagt er. »Wann hast du das letzte Mal geschlafen?«

Ich überleg. Das muss … nein, ich weiß nicht mehr, wann das gewesen ist. Müdigkeit belagert mich, reibt sich an mir, warm und freundlich. Ich darf ihr nicht nachgeben.

»Du weißt es nicht mal«, sagt Lugh.

Er steigt ab und pflückt Emmi von Hermes’ Rücken. Maev und Tommo sind aus dem Wagen geklettert. Ich guck in ihre abgespannten Gesichter.

»Okay, drei Stunden«, sag ich.

»Vier«, sagt Lugh.

»Mindestens«, sagt Slim. »Hier muss man auf Zack sein. Man muss wachsam sein. Auf alles vorbereitet. Und es ist einfach nur dumm, wenn man die Tiere nicht richtig ausruhen lässt.«

»Na gut, vier«, sag ich. »Aber keine Minute länger.«

Ich red mit mir selbst. Alle laufen hin und her und helfen Slim, das Lager aufzuschlagen und Feuer zu machen. Ich kletter vom Wagen, bin überall steif und wund. Während ich den Rücken streck und mir den schmerzenden Hintern reib, denk ich, dass ich jederzeit lieber auf einem Pferd sitzen würde statt auf einem Wagen. Ich hab jeden Hubbel auf der verdammten Straße gespürt. Ich steh abseits, erschöpft, aber zappelig.



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